In loser Reihenfolge finden Sie hier immer wieder neue, kurze, lustige, historische und/oder interessante Geschichtchen über das St. Augustin… lassen Sie sich überraschen!

Abgeschiedenheit und Freiheit
Auch noch am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jhs. waren die Schüler in den Fürsten- und Landesschulen stärker von der Außenwelt isoliert als in den meisten anderen Bildungseinrichtungen. Dem musste bei der Errichtung neuer Schulgebäude Rechnung getragen werden. So besaß die Landesschule Grimma seit der Eröffnung des Neubaus am 24.9.1891 – also vor 125 Jahren – zwei entsprechend gestaltete Schulhöfe, einen repräsentativen Innenhof und einen am Muldenufer, den „Schulgarten“, der die Freizeitinteressen der Schüler berücksichtigte. Dieser Ort bot Freiheit, ohne dass die Kontrolle über die Schüler verloren ging. Da war zunächst der weite Blick Richtung unterer Bahnhof und Steinbrücke (niemand sprach damals von Pöppelmannbrücke), zum Stadtwald mit seinen jahrestypischen Färbungen bis zum Muldenwehr und der Stadtmauer mit den aufsitzenden Häuschen. Und da war die Muldentalbahn, die seit 1877 Glauchau mit Wurzen verband, deren Züge an den Schülern vorbeidampften und wohl manche von ihnen an Heimfahrt und Ferien denken ließen.
Der obere Teil dieses Hofes war parkähnlich gestaltet: Linden boten angenehmen Schatten, die Eiche am südlichen Ende war 1913 gepflanzt worden und erinnerte an die Völkerschlacht, Bänke luden zum Lesen und entspannendem Gespräch ein. Für die einzelnen Klassen waren von der Klosterkirche bis zur Eiche Lauben aufgestellt; ein letzter Rest, der sog. Pavillon, wurde Opfer des Hochwassers von 2002. Längs der Stadtmauer befand sich eine überdachte Kegelbahn und daneben und hinter der Klosterkirche war Platz für Spiele. Transportable Holztreppen führten hinunter zum Muldengang, der übrigens nie, wie vor Jahren behauptet, öffentlich war. Von hier ragten die Badebrücken in den Fluss, denn Schwimmen war nicht nur Teil des Unterrichts, sondern auch beliebte Freizeitbeschäftigung. Das betraf auch das Rudern, das man mit Booten wie dem „Stahlfisch“ und dem „Maikäfer“ auch wettkampfmäßig betrieb. Beides wurde regelmäßig vom legendären Fischer und Fährmann Gröschel überwacht, der mit seinem Stechkahn herbeigerufen werden musste. Vom Erker seiner Wohnung aus hatte auch der Rektor der Schule einen guten Blick auf das Treiben am Muldenufer. Nach 1945 war der jetzt „hinterer Hof“ genannte Schulgarten Pausenplatz und für einige Jahre auch Ort vormilitärischer Ausbildung. Den Internatsschülern blieb er weiterhin Garten zum Entspannen, Sporttreiben und Feiern, was Fotos und eigene Erinnerungen bestätigen.
Das ist nun vorbei. „Aquis submersus“, „im Wasser versunken“ möchte man in Anlehnung an den Titel einer Storm‘schen Novelle sagen. Mehrfache Überflutungen und Verwüstungen sowie der Bau der Schutzmauer trennen die Schule von ihrem Schulgarten. Hoffen wir auf eine ansprechende Gestaltung des neuen Hofs am Alten Seminar.
V. Beyrich (2016)

100 Jahre „Augustiner Blätter“
Es war im Jahr 1924 als der damalige Rektor Dr. Fraustadt in der Hoffnung, dass „durch eine Art Zeitschrift die Verbindung der Lehrer– und Schülerschaft mit den ehemaligen Schülern, den Eltern und wohl auch den Gönnern und Freunden, die gern etwas von der Schule hören, lebendiger zu gestalten. “Die Blätter sollten dazu dienen, die Verbindung zu den Eltern und zu den alten Fürstenschülern zu festigen. Die Schüler erhielten die Möglichkeit, Berichte aus ihrem Erleben, Gedanken und Wünsche zum Schul- und Internatsalltag zur Kenntnis zu bringen.
Die „Augustiner Blätter“ erschienen nun regelmäßig bis kurz vor Kriegsende.
Nach dem Neubeginn 1945 war diese Tradition zunächst in weite Ferne gerückt, aus der Landes- und Fürstenschule war die „Landesschule Grimma“ (später „Oberschule Grimma“) geworden.
Im Jahr 1956 war es soweit, die erste Ausgabe der „Augustiner Blätter der Oberschule Grimma“ lag vor. Der Direktor Jacobi sah ihre Aufgabe darin, als Schulzeitschrift die Schüler anzusprechen, um über ihre Erlebnisse, Veranstaltungen und schulische Arbeit zu berichten. Außerdem sollte die Verbindung zu ehemaligen Schülern gepflegt werden. Auch für die „Altaugustiner“ sollte „der Blick auf die Schule gelenkt werden. Der Versuch, bürgerliche Tradition und sozialistische Ideologie zu verbinden, scheiterte bereits 1958. Es folgten Verbote und Entlassungen und die „Augustiner Blätter“ versanken in der Erinnerung.
Endlich 1991 erfolgte eine Wiederbelebung der Schulzeitschrift. Die Redaktion unter Leitung von Harry Schuster (Lehrer am St. Augustin) bemühte sich von Anfang an darum, dem gerecht zu werden, was Direktor Tschiche in seinem Geleit formulierte: „Zum einen erwarte ich ihren Einsatz bei der Entwicklung vielfältiger Beziehungen zwischen Schule und Öffentlichkeit, zum anderen sollten sie beitragen zur Wahrung der Schultraditionen.“
Die Wiederbelebung ist gelungen, über viele Jahre fieberte zweimal im Jahr eine große Leserschar dem Erscheinen der „Augustiner Blätter“ entgegen.
2009 kamen auch die „Augustiner Blätter“ nicht „um Aktualisierungen und Veränderungen herum“. Nach erfolgter Fusion mit dem Seume-Gymnasium „war es wieder an der Zeit, dass sich der Wind der Veränderung […] niederschlägt.“ Seitdem erscheinen die „Augustiner Blätter“ als Jahrbuch, als Farbdruck und mit verändertem Format. Das neue Motto lautet: „Tempora mutantur, et nos mutamori in illis.“ (Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen.)
M. Bloi, 2024

Auch Alt-Augustiner hatten Frühlingsgefühle
Zu meiner Internatszeit vor 60 Jahren lebten wir noch hermetisch von der Stadt abgeschottet. Das sollte der verstärkten Konzentration zum Lernen, aber auch der Förderung des Gemeinschaftsgeistes der Schüler dienen, und diese Vorstellung wurde aus meiner heutigen Sicht auch voll erfüllt. Dennoch weckt der Gedanke an das liebenswürdige, gemütliche Grimma in mir herrliche Erinnerungen. Der riesige Schulkomplex hatte nur eine einzige Verbindung zur Außenwelt: die schwere, eichene Tür nach der Klosterstraße zu, die vom […] Hausmeister, der wie ein Zerberus etwa 1,5 m schräg über der Tür in seinem Käfig thronte, durch Knopfdruck elektrisch geöffnet werden konnte. Alle Überlistungsversuche sind immer gescheitert. Man kam einfach nicht hinaus […]. Für weibliche Wesen war die Schule seit Jahrhunderten tabu. Nur zu Schulbällen, Konzerten und Hausmusiken wurden Ausnahmen gemacht, und ehrfurchtsvoll betraten die Damen dann die sagenumwobene Alma mater. Beim berühmten Schulball […] durften die Damen, gewissermaßen als Ausgleich für die Gunst der Anwesenheit, sogar für ihre männlichen Partner die Rechnung begleichen. Ich weiß noch genau, wie schwierig es war, von außen an einen Schüler heranzukommen, denn wenn Freundinnen von uns, die im „Theresenhaus“, einer hauswirtschaftlichen Schule für Mädchen, etwas Tolles gekocht oder gebacken hatten und das dem Liebsten zukommen lassen wollten (z. B. Windbeutel mit Schlagsahne, Eierkuchen oder auch Reibekuchen), dann mußten mit dem „Zerberus“ erst intensive Verhandlungen geführt werden, bis […] es am Tor zur Übergabe der Köstlichkeiten kam. Natürlich wollten wir immer dringend in die Stadt, und dieser Ausgang wurde uns auch gewährt, meist für 1¼ Stunden täglich, also von 14:45 bis 16 Uhr. Mittwochs und sonnabends konnte man etwas länger bleiben. Bei schulinternen Vergehen jedoch bekam man „Abzug“, stand für diesen Tag am „Schwarzen Brett“ und mußte schimpfend in der Schule bleiben, wurde oft sogar zu Gartenarbeiten herangezogen. War die Zeit des Ausgangs gekommen, so stürzte man per Rad oder zu Fuß hinaus in die Freiheit. Das Ziel bildete meist die „Champs Elysee“ von Grimma, also die Flaniermeile vom Schwanenteich über die Leipziger Straße, an der Frauenkirche vorbei die Lange Straße hinunter, über den Markt bis zum Ende der Hohnstädter Straße. Man sollte es nicht glauben, aber es war so: Die holde Weiblichkeit unserer lieben Muldenstadt kannte die Ausgehzeiten der Pennäler ganz genau, und es formierten sich Ströme junger Damen, die sich pünktlich in Bewegung setzten, um „ganz zufällig“ ihre Augustiner zu treffen. Der erste „Durchgang“ verlief meist so, daß die Schüler und die Damen eiligen Schrittes in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeiliefen, ohne sich groß zu erkennen, und erst beim Rücklauf vom […] „Sauteich“ her, dem späteren Sportplatz, kam es dann zu rein zufälligen Begegnungen und Begrüßungen, und man schlenderte dann gemeinsam weiter. Wer sich schon besser kannte, bog in weniger belebte Grimmaer Straßen ab, und ganz Verwegene durchmaßen schon mal das sog. „Verlobungsgäßchen“, das zwischen Schwanenteichanlagen und Großmühle für eine besonders lauschige Atmosphäre sorgte. Es war schon sehr verwegen, […] mal im Stadtwald zu verschwinden. Dort soll es sogar zu Berührungen des Kleinfingers […] der „Auserwählten“ gekommen sein. Alle Beteiligten wußten, daß gegen 16 Uhr der ganze Spuk verflogen war, weil alle Schüler dann durch das bewußte Tor zurückgekehrt sein mußten. Danach schien Grimma wieder in seinen kleinstädtischen, aber verdienten Schlaf zu verfallen […].
Dr. Eckard Ullrich (Augustiner Blätter, Jg. 1997/98, leicht gekürzt)

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