Schulgeschichte(n)

In loser Reihenfolge finden Sie hier immer wieder neue, kurze, lustige, historische und/oder interessante Geschichtchen über das St. Augustin… lassen Sie sich überraschen!

Theater in der Schule

Schultheater gab es in Deutschland schon im ausgehenden Mittelalter. Zu Beginn der Neuzeit erhielt es allerdings, namentlich durch Reformation und Humanismus, einen neuen Schub. Berühmt geworden ist Luthers Bemerkung: „Comödien zu spielen soll man um der Knaben in der Schule willen nicht wehren, sondern gestatten“. Als Gründe hebt der Reformator die Sicherheit im Gebrauch des Lateinischen und die menschenbildende Wirkung des Theaters hervor. „Comödien“ werden also sehr bald auch zum pädagogischen Instrumentarium der Fürstenschulen gehört haben. Nachgewiesen ist das für 1594 und 1595, wo Visitationen der Schulen das Schauspiel als „nützliches exercitium“ empfehlen und schließlich zwei Aufführungen pro Jahr anweisen. Damit beginnt sich eine Tradition zu entwickeln, die bis in die Gegenwart wirkt. Dass sich dieses Schultheater von heutigen Vorstellungen auf der Bühne der Aula unterschied, versteht sich von selbst: Öllämpchen oder Kerzen beleuchteten das Geschehen, Veranstaltungsorte waren meist beliebige größere Räume. So ist zum Beispiel für die Fürstenschule Schulpforta Theater in der zugehörigen Kirche belegt, und selbst in unserem 1891 eingeweihten Gebäude gab es bis 1924 keine Bühne, Theater fand deshalb zumeist in der Turnhalle statt.

Der Zeit geschuldet war auch, dass bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts alle Rollen, also auch die weiblichen, von Jungs gespielt wurden: Die Fürstenschule war eine reine Knabenschule, das Spiel setzte oft sichere Beherrschung des Lateinischen sowie z. T. des Griechischen voraus, und die damaligen Moralvorstellungen wollten eine frühe Begegnung der Geschlechter verhindern.

Erst um 1920 traten zaghafte Veränderungen ein. Frauenrollen wurden jetzt von Töchtern der Lehrer oder anderer angesehener Grimmaer Familien übernommen. Ein Wort noch zu Lehrern, die unser Schultheater besonders beeinflussten: Um 1600 war der Bornaer Martin Hayneccius Rektor. Unter ihm, dem Verfasser von Schulkomödien (z.B. „Hans Pfriem“), erreichte das Theaterspiel einen ersten Höhepunkt. In den 50er Jahren des 20. Jhs. prägte der spätere Schriftsteller Hans Pfeiffer durch bemerkenswerte Aufführungen eigener Stücke („Hamlet in Heidelberg“) das Spiel der Schüler. Jüngste Vergangenheit und doch schon Legende sind die von Siegfried Bellmann und Jens Richter geprägten Events. Daran und z. B. auch am Wirken von Ursula Rüdiger anknüpfen zu können, das wünsche ich der Theatertruppe „Die wahren Besucher“. Toi, toi, toi.

V. Beyrich (leicht veränderte Übernahme aus dem Programmheft zu Max Frischs „Andorra“)

Als noch ein Esel vor dem Portal wartete

Abiturzeit, Reifeprüfung – Erinnerungen werden wach. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten sich an der Fürsten- und Landesschule eigene Bräuche, die zum Teil bis heute erhalten sind. Bereits in der Obertertia (Klasse 9) verwies man auf das „bevorstehende Abitur“, es waren noch 1111 Tage bis zur Abiturprüfung. Mit einem 1111- Schild und violett-weiß-grünem Couleurband zog man in eine Gaststätte, um dort in studentischer Manier zu „kneipen“. Besonders beliebt wurde der „Hundertelfer“. Die Abiturienten feierten mit Verkleidung und Gesang: „Nur hundertelf Tage noch sind wir im Mauerloch St. Augustin. Ihr müßt noch Schüler sein, kümmeln Pan und Latein, stöhnend in Tyrannei – wir sind dann frei!“ Diese Tradition hielt sich bis zu den Anfängen der EOS–Zeit. Nach 1990 wurde sie wiederbelebt und gehört bis heute zum beliebtesten Ritual der Abiturienten. Dagegen in Vergessenheit geraten sind folgende Bräuche:

Flinschumzug: Er fand am Vorabend der Prüfung statt. Die Unterprima zog im Gänsemarsch das Prüfungspapier der Firma Flinsch schwenkend durch die Flure. Damit wurde es für die Prüfung geweiht.

Panfeuer: „…hinten im Garten ist der Platz. Zwei Matratzen liegen da zur besseren Entfachung des Feuers. Und wir kommen, den Arm voll Büchern und Heften, Nachschriften, Logarithmentafeln und alte Aufsätze, nichts wird verschont.“ (Erinnerungen eines Altaugustiners al. 1927-1933). In das Panfeuer („Pan“ war in der Schülersprache das Wort für Mathematik) warfen die Abgänger ihre Nachschriften, die ungeliebten Schulbücher.

Primanerschritt: Im Innenhof sangen die Abiturienten das Abschiedslied: „Voll Freud‘ und Leid zieh‘ ich hinaus, ade!“ Dann folgte ein Sprung über die Schwelle des Hauptportals.

Eselsritt: Nach dem Schwellensprung versammelten sich die Abgänger zum „Eselsritt“. Als es noch Karzerstrafen gab, saß der „Karzerkönig“ (Schüler mit den meisten Karzerstunden) auf dem Esel, später dann der „Primus omnium“, der Klassenbeste der Oberprima. Er führte die Schüler, die schweigend mit Schülermütze und violett-weiß-grünem Band durch die Lange Straße zum Goldenen Schiff zogen. Dort wurde das „Homo sum!“ getrunken, d.h. ein Glas Bier wurde ausgetrunken und mit lautem Knall auf den Tisch gesetzt, jeder rief den Satz: „Homo sum! – Jetzt bin ich Mensch!“ Am Abend folgte dann gemeinsam mit der Lehrerschaft der Abiturball.

Diese Traditionen gehörten ohne Unterbrechung über 200 Jahre zum krönenden Abschluss der Gymnasialzeit. Ebenso die Entlassungsfeier, die hervorging aus der Valediktion (Abschiedsrede), die abgehende Schüler im kleinen (Lehrerwohnung) oder großen Kreis (Schulfest) bis zum Anfang des 19. Jhs. zu halten hatten. Mit Einführung der Reifeprüfung (1830) gab es nur noch einen Valediktionsaktus, ausgesuchte Schüler hielten eine Rede in deutscher, lateinischer, französischer und englischer Sprache.

Gegenwärtige Abiturienten werden mit einer feierlichen Zeremonie verabschiedet. In einer sehr anspruchsvollen Abschiedsrede des Direktors und eines Abiturienten wird Rückschau gehalten auf die vergangenen acht Jahre. Mit der Übergabe der Zeugnisse und verschiedenen Ehrungen werden die Absolventen „ins Leben“ entlassen.

M. Bloi

Als der Topp noch gerammelt wurde

Wenn Gruppen von Menschen die gleiche Tätigkeit ausüben, besonders eng beieinander leben, wenn sie von anderen isoliert sind oder sich in gewissem Umfang von ihnen isolieren, können sich besondere Sprachen herausbilden, die man vor allem am Wortschatz erkennt. Solche Sondersprachen sind z. B. die Sprache der Jäger (Äsung), das Rotwelsch (sog. Gaunersprache; baldowern für auskundschaften), die Jugendsprache mit ihrer Inflation des Wortes halt (Das ist halt so…) und die Schülersprache. Diese Sprache – in unserem Fall die der Fürstenschüler – soll kurz vorgestellt werden.

Die Überschrift enthält eine Formulierung, die im 20. Jahrhundert an unserer Schule verwendet wurde. Das sächsische Topp für das hochdeutsche Topf war das Wort für die Schulglocke, schülersprachlich rammeln bedeutete läuten, in Schulpforta sagte man keilen. Der dafür verantwortliche Schüler war der Läuter oder auch Rammler. Aus dem reichen Schatz der Schülersprache werden im Folgenden einige Beispiele ausgewählt. Stammen sie von der Grimmaer Fürstenschule, werden sie mit „G“ gekennzeichnet.

  • abspringen: nachts heimlich die Schule verlassen; auch: aussteigen (G)
  • Betthexen: Frauen, die die Betten der Schüler machten (G)
  • Doppelfraß: besonders reichliches und gutes Essen an Feiertagen (G)
  • Gänseauktion: Verteilung der Damen vor dem Schulball
  • Kasten: Schulgebäude; heute noch bei den Thomanern üblich (G)
  • Olymp: Lehrerzimmer oder Ort des Lehrerzimmers (G)
  • gelber Onkel: Rohrstock
  • Penne: Schule; aus dem Lateinischen abgeleitet (G)
  • Pfeifsack: Schüler, der Mitschüler beim Lehrer verpfeift (G)
  • Schwof: Tanzveranstaltung, Ball; von schweifen abgeleitet (G)
  • Talgmops: Kerzenstumpf (G)
  • Zippen: Lehrer; hielten sich im Zippenstall (Lehrerzimmer) auf; wahrscheinlich aus dem Lateinischen abgeleitet (G)

Wenn Sie von dieser Aufstellung angeregt wurden, müssten Sie in der Pause einen picheln. Nach dem Konzert sollten die Herren ihre Damen heimschleifen und darauf hoffen, dass nicht Carene angesagt ist (Strafe durch Nahrungsentzug), dass es aber auch nicht gekochte Bandwürmer (Nudeln) zum Abendessen gibt. Dann könnten Sie sich in die Molle fallen lassen, ohne noch zu lucubrieren (bei Kerzenschein im Schlafzimmer arbeiten).

V. Beyrich

Phänomen Klassentreffen

Die bevorstehende Advents- und Weihnachtszeit ist auch häufig die Phase der jährlichen Klassentreffen. Generationen von Schülern der ehemaligen Landesschule, der EOS „Ernst Schneller“ und des heutigen Gymnasiums St. Augustin pflegen diese alte Tradition. Im Schularchiv befinden sich zahlreiche Chroniken, die die stattgefundenen Treffen in Wort und Bild dokumentieren.

In den letzten Wochen hörte man wieder verstärkt solche Sätze: „Wisst ihr noch?“, „Erinnerst du dich?“ in den Gängen unseres altehrwürdigen Schulhauses. Da kamen über 90-jährige Ehemalige, die ihr Abitur 1950 ablegten, um sich ihrer Wurzeln zu erinnern oder eine Klasse, die letztmalig ein „DDR-Abiturzeugnis“ erhielt und gleich drei Tage ihr Wiedersehen feierte.

Besonders die runden Jubiläen (10, 20, 30 usw.) geben den Impuls für ein Klassentreffen. Die letzten Gemeinsamkeiten eines Jahrgangs waren in der Regel der Abi-Ball und die Abi-Zeitung, dann trennten sich die Wege, seit 1990 auch weltweit. Meist hörte man jahrelang nichts voneinander, nur wenige blieben in Briefkontakt. Heute ist das anders. Bereits in den Abiturzeitungen stehen die E-Mail-Adressen (trotz Datenschutz!). Viele bleiben verbunden über WhatsApp, Facebook oder Instagram.

Die älteren Jahrgänge hatten diese Möglichkeiten nicht. Man erfuhr nur vom Werdegang eines Mitschülers, wenn sein Bekanntheitsgrad hoch war, z. B. Carmen Nebel (Fernsehen), Jochen Kupfer (Opernsänger) oder Christian Steyer, die bekannte Stimme von „Elefant, Tiger & Co“.

Im heutigen digitalen Zeitalter erlebt man Klassentreffen im modernen Stil, z. B. erhielten alle Teilnehmer nach 25 Jahren eine neue „Abiturzeitung“ mit „Steckbriefen“, die einen Überblick über den beruflichen und privaten Werdegang der einzelnen Mitschüler geben.

Es ist aber anzunehmen, dass auch die künftigen Jahrgänge trotz moderner Kommunikationsmöglichkeiten die Tradition der altbewährten Klassentreffen fortsetzen werden, wie es auch schon Erich Kästner in einer bissigen Satire formuliert: „Sie trafen sich wie ehemals im ersten Stock des Kneiplokals …“.

M. Bloi (39. Augustiner-Konzert, Jg 2022)

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